Katze und Vogeljagd
“Schlecht zu Vögeln?”
über Katzen und Vogeljagd
von Dr. Tjalda Saathoff
Vorsichtig schleicht sich die Katze an den Strauch heran. Jede Deckung nutzend. Pfote für Pfote sanft aufsetzend …um dann plötzlich ganz regungslos zu verharren. Sie wartet geduldig bis sich eine neue Chance ergibt, um sich näher an die Amsel heranzupirschen, die laut in den Ästen zwitschert. Wer hat hier die besseren Chancen? Eindeutig die Amsel.
Vögel sind eine schwierige Beute für unsere jagende Hauskatze. Denn erstens verfügen viele Vögel über einen so großen Gesichtskreis, dass sie auch einen Feind erkennen können, der sich von hinten nähert. Und zweitens steht sich die Katze mit ihrem Jagdverhalten selbst im Weg: Sobald sie nämlich in Sprungweite zu ihrem Beutetier gelangt ist, verharrt sie einen kurzen Augenblick, bevor sie losprescht. Für den Fang kleiner Säugetiere am Boden – wie Mäuse – ist das von Vorteil, doch bei Tieren, die fliegen können, erweist sich diese Strategie eher als Handikap. Denn just in diesem Augenblick hüpft die Amsel zum nächsten Zweig. Pech gehabt.
Man muss als Katze schon ein richtiger Spezialist werden und viel üben, um als Vogelfänger erfolgreich zu sein. Aber nur die wenigsten schaffen das. In 80 Prozent der Fälle, da Mieze sehnsüchtig und mit wahrer Katzengeduld ein Vögelchen belauert, muss sie am Ende mit leeren Pfoten nach Hause schleichen.
Doch genauso wenig wie man Männern abgewöhnen kann, Miniröcken nachzuschauen, wird man es einer Katze vermiesen können, auf Vögel anzusitzen. Sie ist ihrer ganzen Natur nach ein Raubtier – auch wenn sie noch so gerne auf dem Sofa sitzt und schnurrt. Und egal, wie viel Futter sie von ihrem Halter vorgesetzt bekommt: sie lässt das mausen (ja und, darf man es sagen: vögeln?) nicht.
Katzen jagen grundsätzlich alles, was kreucht und fleucht. Ob Wollknäuel, Tennisball oder ein Spielzeug aus der Tierhandlung. Hauptsache, die Beute überschreitet die eigene Körpergröße nicht.
Katzen können nicht unterscheiden zwischen nützlichen und schädlichen Beutetieren. Sie verstehen nicht, dass Menschen es zwar toll finden, wenn sie die Mäuse- und Rattenpopulation klein halten, dass „ihre Dosenöffner“ aber kein Verständnis dafür aufbringen, wenn sie mal junge Kaninchen schlägt oder gar im Taubenschlag aufräumt.
Katzen jagen, was ihr Lebensraum hergibt. Das können Mücken, Fliegen, Käfer und Heuschrecken sein, Libellen, Regenwürmer, Frösche, Eidechsen und Blindschleichen. Am liebsten mögen sie natürlich Mäuse und Ratten, aber auch Amseln und Tauben stehen auf ihrer Speisekarte.
Jahrhundertelang, so der Katzenforscher Professor Paul Leyhausen, war die Katze für Menschen das einzige wirksame Mittel zur Nagetierbekämpfung. Beliebt bei den Bauern und selbst auf Schiffen unentbehrlich. Damals hat man ihr den einen oder anderen „Fehlgriff“ nach Vögeln gerne verziehen. Erst seit die chemische Schädlingsbekämpfung ihr dieses Monopol streitig gemacht hat, sehen viele Menschen sie nur noch als überflüssiges Raubtier. Einst nützliche Jägerin, wird sie selbst zur Gejagten.
Viele Jäger eröffnen bedenkenlos das Feuer auf Katzen, die sich zu weit von ihrem heimischen Revier entfernt haben. Und manche machen sich einen Spaß daraus, auch mit Hunden auf Katzenhatz zu gehen. Besonders fanatische Vogelfreunde schimpfen sie „Mörderin“ und würden ohne Zögern alle Katzen ausrotten, wenn sie dadurch nur einen einzigen Singvogel retten könnten.
Was sie dabei vergessen: Unsere Hauskatze sorgt – besser als jede chemische Keule – für ein gesundes Gleichgewicht in der Natur. Wer Nagetiere mit Giften bekämpft, muss das immer und immer wiederholen, weil Ratten und Mäuse aus benachbarten Gebieten in die „gesäuberten“, allerdings verseuchten, Gebiete nachwandern. Katzen kontrollieren die Schädlinge zwar langsamer als Gift, dafür aber nachhaltig und sinnvoll.
Das gilt auch für die Straßenkatzen in den Städten. Sie dezimieren lästige Kulturfolger wie Tauben, Amseln und Wanderratten, die zu den wirklich gefährlichen Krankheitsüberträgern zählen.
Wo sich übermäßig viele Tauben unkontrolliert vermehren können, werden meist im Gegenzug seltene Singvogelarten aus den Parks und Gärten vertrieben. Der Grund: zu wenig Katzen. Dafür zu viele Ratten, Marder, Eichhörnchen, Krähen und Elstern, die Nester ausnehmen. Auch die niedliche Kohlmeise ist nicht ohne. Sie hackt die Hirnschalen junger Nestlinge auf und labt sich an deren Gehirnen.
Die Vögel selbst wissen sehr genau, wer ihre großen Feinde sind. Ornithologen haben beobachtet, dass die kleinen Höhlenbrüter kaum einen Warnruf abgegeben, wenn eine Katze vorbeischleicht. Ganz anders, wenn sie ein Eichhörnchen oder einen Eichelhäher sehen. Dann geraten sie völlig aus dem Häuschen.
Auch die Bodenbrüter kennen größere Feinde als die Katze. Katzen stehen mehr auf Vogelgeflatter in Sträuchern und auf Zweigen. Ein gut am Boden verborgenes Lerchennest finden sie nur zufällig. Und an Eiern sind sie überhaupt nicht interessiert. Es sind meist Arten, die mit der Nase nach ihrer Nahrung stöbern, wie Iltis, Ratte und Igel, denen die Eier und Nestlinge der Bodenbrüter zum Opfer fallen.
Aber zugegeben: in den gepflegten Park- und Gartenlandschaften gibt es für Singvögel kaum noch geeignete Nistbiotope. Und wenn Vogelfreunde es dann beim Aufhängen von Nistkästen an Überlegung fehlen lassen, sollte sich niemand wundern, dass Katzen glauben, man hätte für sie ein Fastfood-Restaurant eröffnet.
In der Regel gilt aber: Je mehr Katzen in einem Gebiet leben, umso weniger Vögel werden von ihnen gefangen. Der Zusammenhang ist ganz einfach. Die Vögel hüpfen dort nicht mehr so sorglos über Tische und Bänke wie in katzenfreien Zonen, sondern werden achtsamer. Das widerum führt dazu, dass Katzen nur noch kranke, schwache oder verletzte Vögel erbeuten. Und halbflügge Jungvögel. Wer aber weiß, dass jedes Singvogelpaar viel mehr Nachkommen ausbrütet als zur Erhaltung des Bestandes notwendig sind, wird der Katze deshalb nicht grollen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass immer nur zwei Kinder aus allen erfolgreichen Brut- und Ehejahren eines Singvogelpaares einmal an die Stelle der Eltern treten können. Alle anderen müssen zugrunde gehen. Und der Natur ist es dabei völlig gleich, ob dies durch Hunger, Nässe, Kälte, Seuchen oder ein Raubtier wie die Katze geschieht.
Katzen helfen mit, die Natur im Gleichgewicht zu halten. Sie verhindern die Ausbreitung seuchenartiger Krankheiten und Hungersnöte, weil sie die kranken Vögel fangen und den Brutüberschuss verringern. Gleichzeitig sorgt ihre Anwesenheit für einen lebensfördernden, leichten Stresszustand in der Vogelwelt. Katzenfeinde wird erstaunen, was Vogelkundler herausgefunden haben: Vögel in Katzengegenden sind gesünder, lebhafter und kräftiger als ihre Artgenossen, die in katzenfreien Zonen leben.
Wie Sie Ihrer Katze die Vogeljagd verleiden können
Ein Vogelhäuschen, in dem sich Amsel, Meise und Buchfink zum Futterpicken treffen, ist für jede Katze eine Einladung zur Jagd. Sehnsüchtig sitzt sie hinter der Stubenscheibe und flehnt, weil sie die ersehnte Beute nicht erreichen kann. Doch kaum ergibt sich eine Gelegenheit, wird sie nach draußen entwischen und ihr Glück versuchen.
Wenn Sie Ihrer Katze den Vogelfanatismus verleiden möchten, brauchen Sie ganz viel Geduld, dazu eine mit Steinchen gefüllten Blechdose oder eine zielgenaue Wasserpistole.
Sobald Ihre Mieze sich an das Futterhaus angeschlichen hat, auf einen Vogel starrt und zum Sprung ansetzen will, werfen Sie die Dose zu Boden. Niemals nach der Katze! Das laute Geräusch wird Ihre Katze erschrecken und von der Beute ablenken. Da sie aber gerade völlig auf den Vogel fixiert war, wird sie den Lärm dem Vogel zurechnen und auf weitere Nachstellungen verzichten. Katzen hassen Lärm!
Mit der Wasserpistole funktioniert es genauso. Aber Sie müssen ein guter Schütze sein. Spritzen Sie Ihre Katze in dem Moment nass, in dem sie zum Sprung bereit ist. Der gleiche Effekt wie oben tritt ein. Die Katze bricht die Jagd ab.
Aber…. wer es sich nicht mit seiner Katze verderben will, muss geschickt vorgehen. Katzen sind gute Beobachter und lernfähig. Wenn Ihre Mieze merkt, dass nicht der Vogel es ist, der den Lärm verursacht oder sie mit Wasser bespritzt, sondern ihr Mensch, wird sie Ihnen das Vertrauen entziehen und sich beleidigt zurückziehen. Es kann dann manchmal sehr lange dauern, bis die Katze sich wieder angstfrei einem Menschen nähert.
Und Vögel jagt sie dann auch weiterhin … allerdings nur, wenn der Mensch nicht zuguckt..